In diesem Jahr feiert unter anderen auch „Fräulein Else“ ihren 100. Geburtstag, Arthur Schnitzlers innerer Monolog einer jungen Frau zwischen männlicher Macht und weiblicher Gegenwehr. Dieser Text gehört zu den berühmtesten des Mitbegründers der ‚Wiener Moderne‘: wegen seiner quälend intensiven Innenschau, die ihn nahe an die Tiefenpsychologie Freud heranrückt, aber auch wegen der schneidenden Analyse der sozialen und der Geschlechterverhältnisse im beginnenden 20. Jahrhundert. Schnitzler ist einer der bedeutendsten Diagnostiker seiner Epoche, der er mit Schärfe, aber auch mit sarkastischem Witz die Leviten liest. In seinem Fokus stehen gesellschaftliche Zwänge, Machtverhältnisse und Mechanismen sowie die Selbstentwürfe, die Spielräume und die erotischen Beziehungen von Frauen und Männern – nicht zu Unrecht gilt Schnitzler als ein ‚Autor der Frauen‘. Schon aus biographischen Gründen lag Schnitzlers besondere Aufmerksamkeit auf der Stellung der Juden und auf dem zeitgenössischen Antisemitismus. Seine Texte bieten geradezu ein Kompendium jüdischer Positionen zwischen Assimilation und Zionismus. Gründe genug, einen Blick auf das Œuvre dieses faszinierenden Autors zu werfen.
Die Gesprächsrunde beschäftigt sich mit einigen bekannten Texten Schnitzlers. Neben „Fräulein Else“ sind dies vor allem „Sterben“ (1892), „Lieutenant Gustl“ (1900), „Reigen“ (1903), „Das weite Land“ (1910), „Professor Bernhardi“ (1912), „Traumnovelle“ (1926).
Moderation: Dr. Christian Gohlke
Prof. Dr. Christine Lubkoll studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg i.Br. und Bordeaux; sie promovierte 1985 in Freiburg i.Br. über Faustdichtungen und wurde 1993 mit einer Arbeit über den ‘Mythos Musik’ in der Literatur der Romantik an der LMU München habilitiert. Von 1995 bis 2001 war sie Professorin für Neuere deutsche Literatur und Komparatisitk in Giessen und hatte anschließend bis zu ihrer Pensionierung 2022 einen Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur an der FAU Erlangen-Nürnberg inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte betreffen die Literatur und Kultur der Sattelzeit 1750-1830, die literarische Moderne und sowie die Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, außerdem die Forschungsgebiete ‘Literatur und Musik’; ‘Literaur und Ethik’ sowie die ‘Kulturgeschichte des Erzählens’.
Prof. Dr. Christian Begemann, bis 2020 Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur an der LMU München. Er hat seine Arbeitsschwerpunkte in der Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert.
Das Publikum ist eingeladen, Fragen zu stellen und sich mit den Teilnehmenden auf dem Podium auszutauschen.
Die Veranstaltung wird gefilmt und live übertragen!